Hutgeschichten

Gute Dinge geschehen auch

Eine Lektion in Demut

March 10th, 2016

Etwas früher heute bin ich zu meinem Arzt gegangen, um ein Rezept für ein Medikament abzuholen, das ich nehmen muss. Als ich das Haus betrat, wollte eine ältere Dame gerade gehen, also hielt ich ihr die Tür auf. Sie bemerkte dies, sah zu mir auf, lächelte als wäre es das erste Mal in diesem Jahrzehnt, und dankte mir mit dem Hinweis, dass sowas heutzutage nicht mehr gemacht würde.  Ehrlich gesagt fühle ich mich ziemlich stolz ungeachtet der Tatsache, dass ich sowas normalerweise überall mache, wo ich bin.

Die Sekretärin sah auf, blätterte mein Rezept hervor ohne nach meinem Namen fragen zu müssen, lächelte mich ebenfalls an und wünschte mir einen guten Tag. Für sich selbst betrachtet bereits Grund genug, den Tag als einen guten abzustempeln.

Ich ging zur Apotheke, gab den kleinen Zettel ab und wurde gebeten, später am Tag wiederzukommen. Also ging ich weiter, um noch ein paar Lebensmittel einzukaufen (lies: Knabbereien – ich hatte das Gefühl, mir die redlich verdient zu haben).

Jetzt sieht das aber so aus: Der Laden, zu dem ich wollte, liegt genau neben einer der Hauptein- und Ausfallsstraßen der Stadt. Als ich die Kreuzung dort erreichte, war aus irgendeinem Grund die Ampel kaputt. Da ich so gut wie blind bin, hatte ich allerdings keine Chance, das zu bemerken. Ich drückte den kleinen Knopf und wartete, bis ich an der Reihe sein würde, die Straße zu überqueren.

Und ich würde wahrscheinlich noch immer dort stehen, wäre nicht eine freundliche Frau mit ihrem kleinen Sohn vorbeigekommen, die mich auf die Lage hinwies und mir anbot, mir bei der Überquerung behilflich zu sein. Das mag für jeden einfach klingen, doch hatte sie eindeutig einen Migrationshintergrund und große Schwierigkeiten, Deutsch zu sprechen. Daher war es ziemlich schwer für sie, mir überhaupt verständlich zu machen, dass sie mir helfen wollte. Trotzdem bot sie einem völlig Fremden – noch dazu einem Mann – ihren Arm an, um ihn über die wirklich vielbefahrene Straße zu helfen. Sie war dabei sehr umsichtig, hielt dabei die Hand ihres Sohnes, hatte dabei aber unentwegt ein Auge auf mich um sicherzustellen, dass ich bei ihnen blieb und dass alle Autos auch wirklich anhielten, um uns rüberzulassen.

Um die Wahrheit zu sagen: Ich ziehe den Hut vor dieser Frau. Während ich mir um kaum etwas Sorgen machen muss und hier ein gutes Leben leben kann, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie die Last der Welt auf ihren Schultern trägt, da sie sich in einem fremden Land aufhält, ein Kind groß zieht und auf ihn aufpasst. Trotzdem denkt sie noch an andere und gibt auf sie Acht.

Daher richtet sich dieser Eintrag an all jene, die glauben, Flüchtlinge – und alle anderen Ausländer – sind nur hier um sich zurückzulehnen und ihr Leben mit “unserer” Sozialhilfe bestreiten, die sich nicht um ihre Nachbarn kümmern; oder wenn sie es tun, dann nur, um sie zu bestehlen. Ihr habt wirklich Unrecht. Wann auch immer ich hier die Straßen lang laufe, egal wie “schlecht” die Gegend ist, treten die Leute einen Schritt zur Seite, damit ich mit meinem Stock vorbei kann. Vor allem die Leute, die aus anderen Ländern stammen. Ich wurde bisher nicht ausgeraubt. Und ich wette, dass die eine Person, die es versucht hat, genau hier geboren wurde und aufgewachsen ist.

Vielen Dank, junge Frau. Sie haben ein Lächeln in jemandes Gesicht gezaubert.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.