Hutgeschichten

Gute Dinge geschehen auch

Eine traurige Geschichte

August 22nd, 2018

Vor ein paar Wochen ging ich hier durch die Stadt und wollte etwas einkaufen. Zu diesem Zeitpunkt war Stadtfest, weswegen ich – trotz Blindenorientierungslinien auf dem Boden – fast in eines dieser Anti-Lkw-Hindernisse gelaufen wäre. Glücklicherweise habe ich es noch rechtzeitig bemerkt.

So ging es mir allerdings nicht mit einem Fahrradfahrer gute 50 m weiter, der vor einem Rewe-Markt mit seinem Rad quer stand. Damit auch quer über den Orientierungsstreifen. Was ich natürlich nicht sehen konnte.

An diesem Rewe saß wie immer ein Obdachloser. Das ist nichts Auffälliges, denn er sitzt da, wie ich inzwischen weiß, fast jeden Tag. Auch die örtliche Trinkerszene scheint hier oft ein wenig Ruhe zu finden. Also genau das Klientel, um das die meisten Menschen doch eher einen Bogen machen würden.

Während ich also auf den Radfahrer zulaufe, mir dessen völlig unbewusst, höre ich plötzlich von rechts hinter mir jemanden “Vorsicht, Vorsicht!” rufen. Da ich an dieser Stelle keine zwei Sekunden vorher vorbei gegangen war, war mir natürlich auch klar, dass nur der einsame Obdachlose gerufen haben konnte, somit den Radfahrer aus seinem Tagtraum schreckte und verscheuchte und mich rechtzeitig vor dem Hindernis warnte.

Zuerst habe ich mir nicht viel dabei gedacht und ich ging einfach weiter. Aber dann fiel mir auf, dass ausgerechnet jemand, der selbst nichts hat, gerade eine schützende Hand über mich gehalten hatte. Und ich wurde mir des kleinen Geldscheins in meiner Hosentasche bewusst. Also machte ich auf dem Absatz kehrt, ging zu dem Mann, der noch immer am Boden saß, zurück und fragte ihn, ob er mir eben nachgerufen habe.

Seine Reaktion macht mich auch heute, Wochen später, noch immer traurig: Er hat sich geduckt und leise gemeint, dass er das nicht war. Auch als ich nochmal fragte, ob er sich da ganz sicher sei, schüttelte er verängstigt den Kopf und sagte, er sei das nicht gewesen. Der arme Mann hatte vor einem Blinden mit Hut Angst. Dabei halte ich mich eigentlich für eine denkbar wenig bedrohliche Erscheinung…

Den Schein habe ich ihm trotzdem gegeben. Ich hoffe, er hat sich gefreut. Vielleicht sollte ich öfter etwas Kleingeld dort lassen.

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